Stadtfest-Biathlon lebt in den Regenpausen auf

Die “Sportstadt” Zella-Mehlis im Thüringer Wald, unmittelbarer Nachbar des Biathlon-Weltcup-Ortes und WM-Gastgeber 2023, Oberhof und mit jahrzehntelanger Tradition in der Herstellung von Waffen ist eigentlich ein logischer Etappenort der Biathlon-Tour. Das gilt um so mehr mit Blick auf die Sporttradition des rund 500 m hoch gelegenen Erholungsortes, der mit dem größten Sportverein Südthüringens, TSV Zella-Mehlis und dem leistungssportlich ausgerichteten Wintersportverein, SC Motor Zella-Mehlis, sportliche “Schwergewichte” zu bieten hat. Letzterer ist die Heimat von Biathlonlegende Kati Wilhelm und entwickelt bis heute Spitzenathleten/innen im Skilanglauf und der Nordischen Kombination.

Da freute uns besonders, dass die Damen des Stadtmarketings Zella-Mehlis, Anne Schlegel und Gabriele Schneider, in den stillen Monaten der Coronakrise auf die Biathlon-Tour aufmerksam wurden und gemeinsam mit uns in die Planung gingen, das erste Stadtfest nach Corona mit Biathlon für alle Neugierigen und einem sportlich-spaßigen Mitmachevent aufblühen zu lassen. An diesem zweiten September-Samstag ist es dann endlich so weit und die Biathlon-Tour feiert Premiere im Thüringer Wald.

Klar wünscht man sich für eine solche Premiere einen schönen Spätsommertag mit ebensoviel Sonne wie entspannt umherschlenderndes Publikum, doch die Realität bringt einen der wenigen ungemütlichen Regentage dieses Jahres mit weniger “Trockeninseln” als kräftigen Güssen. Bemerkenswert ist, dass in jeder noch so kleinen Regenunterbrechung gleich wieder Neugierige, Biathlonfans oder einfach sportliche Menschen den Weg zur Biathlonarena finden, ihre Treffsicherheit testen und fast 60 von Ihnen das Wettkampfangebot annehmen. Dabei werden 400 m in der Doppelstocktechnik auf Skilanglauf-Cardiogeräten zurückgelegt bevor an den Infrarot-Biathlongewehren 5 Schüsse Stehendschießen aus 10 m Entfernung auf Ziele mit 45 mm Durchmesser die besten Skijäger/innen ermitteln. In den letzten 90 Minuten des Events starten manche kernigen Stadtfestbesucher sogar im strömenden Regen in den Biathlonwettkampf. Respekt! Es wäre ja gar nicht verwunderlich gewesen, wenn sich die Wettertristesse auf das Stadtfestpublikum übertragen hätte, aber hier in Zella-Mehlis entsteht das Licht, das man als Hoffnungsschimmer zwischen den Wolken sucht, zuerst am kräftig durchnässten Boden.

Symbol für den Sportsgeist des Tages

6(!) mal startet an diesem Biathlontag die 16-jährige Leonie Kempf in den Biathlonwettkampf. Wer selbst einmal mitgemacht und gespürt hat, wie viel Oberkörperkraft und Anstrengung die 400 m auf dem Skilanglauf-Cardiogerät erfordern, wird das kaum für möglich halten oder zumindest höchsten Respekt zollen. Noch erstaunlicher wird die Leistung der jungen Schwimmerin und Tischtennisspielerin, weil sie bei 5 ihrer 6 Wettkämpfe jeweils 4 Treffer mit ihren 5 Schüssen erzielt und damit alleine 5 der besten 10 Wettkampfresultate auf sich vereint. Die tragische Komponente an Leonies toller sportlichen Leistung ist, dass bei jedem Wettkampf eines der fünf Treffererkennungslichter rot leuchtet und gnadenlos den Fehlschuss ausweist. Mal beim ersten Schuss, mal beim Vierten und – besonders aufwühlend – zweimal beim letzten Schuss. 5 Treffer hätten das junge Sporttalent zu diesem Zeitpunkt auf Platz 1 der Etappenrangliste gebracht und damit in die Poleposition für die Teilnahme am Finale der Biathlon-Tour in der Oberhofer Skihalle im Februar 2023. Diese Happy End bleibt Leonie versagt, aber diese herausragende Leistung und die mentale Stärke immer wieder die Herausforderung zu suchen, die kann ihr keiner nehmen. Und damit legt sie jenen Schatz in sich frei, der aus den guten SportlerInnen die Besten macht. Weiter so, Leonie!

Das Erwachen aus der ersten Regenpause

Am Mittag schütteln die Unternehmungslustigen die erste Regenstunde ab und und das spült uns drei ehemalige Karlsruher Studienkollegen in die Biathlonarena. (obere Bildzeile). Das Ehemaligen-Treffen der Maschinenbauer fällt in diesem Jahr etwas kleiner aus als sonst – Corona lässt auch da grüßen – aber Christian, Lukas und Jochen haben Spaß für 6 und legen auf den Thoraxtrainern sehr sportlich los. Auch am Biathlongewehr machen die 3 eine gute Figur und schaffen zusammen 10 Treffer mit ihren 15 Schüssen. Der Beste von ihnen: Lukas (im karierten Hemd) mit 4 Treffern und der Gesamtzeit von 2:41 Minuten. Mit diesem Ergebnis bleibt er einige Zeit lang an der Etappenspitze.

Im Bruder-Duell zwischen Fabio und Milan (untere Bildzeile) ist Fabio (im blauen T-Shirt) der Schnellere (2:40 Minuten) aber Milan der bessere Schütze und gewinnt mit 3 Treffern und 2:44 Minuten den Familienwettkampf.

Staffelsieger ohne Staffelwettkampf

Die geplante Biathlonstaffel-Stadtmeisterschaft musste wegen zu wenigen Teamanmeldungen leider abgesagt werden. Das Team des Fördervereins Freibad Einsiedel Zella-Mehlis e.V. war dennoch vollständig und mit Fans vor Ort und startete im Einzelwettbewerb unmittelbar hintereinander, so dass die 4 Wettkämpfer, Daniel Kempf, Leonie Kempf, Andreas König und Rainer Blum mit 16:15 Minuten auch ein Teamergebnis erzielten. Wir machen den Spaß mit und ehren das Quartett als Sieger der Staffelchallenge. Selbst die kleine, lustige Einlage lässt schon erahnen, was für ein schönes, stimmungsreiches Spektakel mit 10 oder 20 Teams hier möglich wäre. Zella-Mehlis wäre längst nicht der erste Etappenort der Biathlon-Tour, in dem die Staffelmeisterschaft erst im 2. Jahr zum Erfolg wird. Vielen Dank an das Team des Fördervereins und an Heinrich Jung für den sportlichen Einsatz bei einem ausgefallenen Wettkampf ;-)

Wettkämpferinnen-Ehre

Die Wettkämpferinnen-Ehre rettet Leonie Kempf mit ihren 6 Rennen ja fast im Alleingang, wird aber tatkräftig von Katharina Stubenrauch unterstützt. Katharina siegt im Duell mit dem schnelleren Jens Roscher, weil sie am Biathlongewehr besser trifft. Dabei folgt sie exakt unserer Moderation, denn schon vor Katharinas 5 Schüssen erzählen wir von der Erfahrung, dass bei Duellen zwischen Frauen und Männern fast immer die Frauen gewinnen. Katharina hält sich mit dem letzten Schuss an das Drehbuch und gewinnt mit 3:2 gegen den mittlerweile erholten Jens.

Sieger der Regenspiele

Von den wetterharten Biathleten, die mitten im Regen starten, ist Erik Lahl (im grauen Kapuzenpulli) der Beste. Der Sommerbiathlet des WSV 05 Oberhof, mit der Thüringen-Staffel 2008 sogar Deutscher Meister, steht auch heute dicht vor dem Sieg. 4 Treffer und ein schnelles Rennen legt er vor, doch dann passiert ihm das ähnliche Missgeschick, wie zuvor schon Leonie Kempf und der letzte wird zum verflixten Schuss. Mit 4 Treffern und 2:15 Minuten schrappt der Spezialist also um Millimeter am Tagessieg vorbei und muss sich mit dem Sieg der Regenspiele begnügen. Auch dieser fällt allerdings knapp aus, denn Sascha Schade (in der weissen Jacke) erweist sich ebenfalls als starker Schütze. Erstaunlich, dass der geübte Skilangläufer durch die nassen Haare hindurch überhaupt das Ziel sieht, aber auch er macht es bis zum letzten Schuss perfekt. Vielleicht war dann doch eine Locke im Wege? Mit 2:36 Minuten und 4 Treffern wird er drittbester der Tageswertung mit und ohne Regen ;-)

Da ist er noch, der perfekte Biathlon-Wettkampf

Viele gute Wettkämpfe bringt dieser Biathlon-Tag in Zella-Mehlis hervor, doch ein kleiner Wackler ist bisher stets Begleiter, so dass 4 Treffer mit 5 Schüssen gleich von einem Quintett an Wettkämpfenden erreicht wurde, nicht aber ein fehlerloses Schießen mit 5 Treffern. Das bleibt Anreiz für die nächste Regenpause, in der David Michael an den Start geht. Der 31-Jährige zweifache Papa hat seine Fans gleich mit an der Biathlonarena und legt im Duell mit Andreas Thieme im 400m-Skilanglauf mit hohem Krafteinsatz los. Schießerfahrung habe er keine, sagt uns der ehemalige Kreisligafußballer später. Sein Sport ist mittlerweile das “Papa-sein” und ganz verkehrt kann dieses Training für David nicht sein, denn er setzt am Biathlongewehr den ersten Schuss so rasch, wie ein geübter Biathlet und trifft damit sogar. Irgendwie wartet man an diesem Tag fast selbstverständlich auf die eine rote Fehlschusslampe, doch sie lässt auf sich warten beim 2., 3. und 4. Schuss. Nach 4 Treffern ist der letzte Schuss heute schon viermal schief gegangen, da kneift man fast ein bisschen die Augen zusammen und meint zu ahnen was kommt? Doch David zeigt, dass zwar Wolken aber kein Bann über diesem Biathlon-Tag liegen und bringt auch den 5. Schuss ins Ziel. Mit 2:29 Minuten und 5 Treffern hat die bekannte Wintersport- und Biathlonregion im hohen Thüringer Wald nun auch das perfekte Biathlonergebnis, wie es sich gehört.

David Michael gewinnt die Stadtfest-Etappe in Zella-Mehlis, die gezeigt hat, dass nasse Etappen in ihren Regenpausen einigen Glanz und Lebendigkeit erzeugen können. Welches schöne Biathlontspektakel könnte hier ohne 4 Regenstunden oder sogar mit Staffelchallenge entstehen? Für David geht die Biathlon-Tour in die nächste Runde, denn der Etappensieger von Zella-Mehlis trifft am 25. Februar 2023 im Tourfinale in der Oberhofer Skihalle auf die Etappensieger aller Tourstädte und kämpft dort im “Heimspiel” um den Toursieg.

Die Biathlon-Tour sagt Dankeschön

Unser Dank gilt zuerst allen Wettkämpfenden für ihre Motivation, die sportlichen Leistungen und die Begeisterung, die als “Neopren” der Nässe kein Durchdringen erlaubt. Vielen Dank an das Stadtmarketing Zella-Mehlis, an Gabriele Schneider, Anne Schlegel und Tina Heyder für die gute und angenehme Zusammenarbeit und für das Vertrauen in die Biathlon-Tour. Mein persönlicher Dank gilt dem Team der Biathlon-Tour, Harry, Daniel und Marco, die sich weder von einem defekten Transporter noch vom Regen beim Auf- und Abbau aus dem Rhythmus bringen lassen und am Ende auch in 1:58 Minuten besten Anschauungsunterricht leistet.

Bilder: Siegward Pein Technik: Daniel Holtschneider Mitmacher-Betreuung: Marco Feulner Text: Martin Bremer